From Nose to Tail
Oder: Wieso ein Tier nicht nur aus Filet besteht.
Ceci n’est pas une vache – Das ist keine Kuh. Ja, was dann? Sehen wir in einer Kuh nur mehr ein Lebensmittel, welches ohne jeglichen Gedanken an seine Herkunft zu verschwenden auf unsere heimischen Teller kommt? Unser Essen kommt nicht einfach irgendwoher, alles hat seinen Ursprung. Und genau aus dem Respekt vor dem Lebensmittel (und somit auch vor der Kuh), soll dieses soweit wie möglich gänzlich verwertet werden und nicht größtenteils auf dem Müll landen. Der Foodtrend From Nose to Tail beschäftigt sich genau mit dieser Problematik. Das Tier gänzlich verwerten – ohne Wenn und Aber.
Zuerst zum Begriff From Nose to Tail: Ins Deutsche übersetzt bedeutet das, ein Tier von der Nase bis zum Schwanz verwerten, also quasi nichts davon wegzuschmeißen. Mittlerweile gibt es jedoch schon viele verschiedene Begriffe für die gleiche Philosophie. So setzt Spitzenkoch Stefan Glantschnig, junge 26 Jahre alt und Küchenchef des Waldhofs in Scheffau (Tirol), auf den Grundsatz vom Riecher bis zum Steiß und versucht tagtäglich das ganze Tier zu verkochen und nicht nur die „schönen“ Teile in wundervolle Gerichte zu verwandeln.
Wieso er nicht dem Mainstream hinterherläuft und einfach Steaks und Schnitzel verkauft? Vor allem aus Respekt vor dem Tier. Daher kauft Stefan gleich das ganze Tier – Mit Fleisch, Innereien und Knochen. Und zaubert ganz hervorragende Speisen daraus. Unfassbar das Innereien so gut schmecken? Diese Gerichte müsse man einfach probieren, meint der Küchenchef. Meist ist das alles nur eine Kopfsache. Aber wenn man genau überlegt, kommt man zu dem Schluss, das Fleisch und Innereien beide von einem Tier stammen – Und daher sollte man auch beide Teile verwenden und sich schmecken lassen.
Nur das Filet verwenden? Langweilig!
60 Prozent eines Rindes nach der Schlachtung kommen in den Müll. Erschreckende Zahl oder? Diese sollten wir unbedingt ändern. Ein Tier besteht nun mal nicht nur aus dem Lungenbraten und genau das ist gut so. Doch wozu kann man nun all diese verschiedenen Teilstücke verkochen? In meinem Beitrag möchte ich bei den Innereien vom Rind bleiben, da man daraus wunderbare Gerichte zaubern kann. Vorher muss aber noch gesagt werden, dass Leber, Milz und Co. meist eine längere Vorbereitungs- und Kochzeit haben als herkömmliches Fleisch. So wie es Stefan sagen würde: „Innereien brauchen Zeit und ein gewisses Können vom Koch oder der Köchin.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Doch durch ein wenig Recherche oder ein tolles einfaches Rezept (am Ende des Beitrages steht eines für euch bereit) schaffe jeder/jede das. Man muss sich also nur daran trauen und einmal zu kochen beginnen.
Teile des Rindes, die außerhalb des Mainstreams liegen
Der Klassiker: Die Leber kennen wahrscheinlich die meisten von euch in Knödelform oder Kurzgebraten. Auch wenn diese Innerei eigentlich nur ein Nebenprodukt des Schlachtvorganges ist (man züchtet Rinder ja nicht nur wegen der Leber – Gänse dafür schon, daher halte ich von Gänsestopfleber Abstand), findet sie meist eine recht große Akzeptanz in unserer Bevölkerung und blickt auf eine sehr lange Nahrungsgeschichte zurück. Kaum zu glauben, dass Leber einmal ein Arme-Leute-Essen war. Übrigens ist Leber (neben Lunge, Herz und Milz vom Lamm) im Beuschel, welches Stefan kocht, enthalten. Wer einmal in Scheffau ist, sollte dieses im Waldhof unbedingt probieren!
Das Außergewöhnliche: Kutteln werden aus dem Vormagen (Pansen) von Rindern gewonnen. Nicht nur Saure Kutteln (oder in Österreich Flecksuppe) begeistern Kutteln-Fans, auch in Weißwein schmecken diese toll.
Das Spezielle: Hoden. Ja auch die kann man essen. Da muss ich zugeben, dass das auch nicht ganz mein Fall ist. Aber probiert diese einfach in einem Restaurant (wahrscheinlich müsst ihr da eher lange suchen, bis ihr jemanden findet, der diese verarbeitet) oder kauft sie beim Metzger eures Vertrauens und sucht ein passendes Rezept (z.B. für gebratene Hoden).
Die Haute-Cuisine: Bries vom Kalb gilt als Delikatesse. Doch was ist das? Kalbsbries ist ein Organ, welches sich bei Spalthufern (also auch Rindern) auf die Immunabwehr spezialisiert hat. Besonders beliebt ist es in Feinschmeckerkreisen, die zarte Struktur und die meist besondere Aufmachung der Innerei verleihen diesem die notwendige Exklusivität.
Wer sich jetzt fragt, ob Innereien nicht furchtbar teuer sind, für den kommt jetzt die Antwort: Meist sind diese im Vergleich zu Fleisch sogar billiger oder gleich teuer. Knochen (für Suppe oder Jus) bekommt man zumeist sogar geschenkt. Natürlich findet ihr Leber, Nieren, … nicht in den meisten Supermärkten, da müsst ihr dann schon einen Fleischer aufsuchen. Aber das Gute daran ist wiederum, dass man dann auch gleich fragen kann, wie dieses Tier gehalten wurde und woher dieses überhaupt kommt. Gegebenenfalls kann man dann auch dankend abwinken und ohne Innereien nach Hause gehen, wenn die Antwort nicht zufriedenstellend war.
Ein Trend, der kommen und für immer bleiben soll
Mit Trends ist das ja immer so eine Sache, diese kommen überraschend und gehen meist wieder schnell. Doch From Nose to Tail soll sich in den Köpfen der Menschen verankern und zum Umdenken anregen. Soll man wirklich keinen Gedanken an die Tiere, welche für uns geschlachtet werden, verschwenden? Wir sollen das nicht, wir müssen das tun! Alleine aus Respekt gegenüber der Tiere, die für uns eine Nahrungsgrundlage darstellen, sollte man auch überlegen, wie deren Haltung, Schlachtung und vor allem Verwendung aussieht. Natürlich habe ich Stefan am Schluss unseres Gesprächs die entscheidende Frage gestellt: Ob er nun meint, dass sich dieser Trend in Restaurants und Gasthäusern umsetzen lassen kann. Er überlegt kurz und antwortet mit Ja. Um des Tieres Willen.
Weitere Beiträge findest du auf der Homepage.
Ein Innereien-Rezept von Stefan Glantschnig findest du hier.
Anmerkung: Dieser Beitrag entstand im Juli 2016, daher ist Stefan mittlerweile Sous Chef im Atelier Jan Hartwig in München.